Exkursion nach London im März 2018

Exkursionsleitung und -begleitung: Prof. Dr. Mirjam Schaub [Leitung] (Philosophie), Dr. des. Iris Dankemeyer (Philosophie) & Tim Glöckler (wiss. Hilfskraft Philosophie)

Westminster Garten. Foto: Mirjam Schaub

Talking Objects, Travelling Concepts, and Magic Things
Eine kulturphilosophische Exkursion nach London

Zeitraum: 11.–18. März 2018

Teilnehmende:
18 Studierende aller Fächer aus Kunst und Design:
10 aus dem Design (4 KD, 2 ID, 3 Textildesign, Design Studies)
8 aus der Kunst (Bildhauerei/Metall, 2 Keramik, Kunstpädagogik und Lehramt Kunst,
Bildhauerei/Figur, Bild Raum Objekt Glas sowie Zeitbasierte Künste)

Vorgenommen hatten wir uns eine kulturphilosophische Exkursion, welche Kunst- oder Designobjekte einmal nicht in ihrem Formen- und Stilspektrum beschrieb oder in ihrem ästhetischen Eigenrecht betrachtete. Vielmehr ging es uns um die wechselvolle, d.h. instabile und daher oft vergessene kulturelle Verknüpfung der Dingwelt mit der Welt der Ideen selbst, die auf ihrem „Rücken“ durch die Jahrhunderte reisen wie blinde Passagiere, die unbemerkt zu- und absteigen. Im vorbereitenden Wochenendseminar entwickelten wir mithilfe von philosophischen, kultur-theoretischen und psychoanalytischen Texten einen vielschichtigen Dingbegriff: Dinge als nicht zuende gedachtes Zusammengeworfenes, als streitbare und erst noch auszuhandelnde, gemeinsame Sache mit aufreizender Neutralität, offen für gegensätzlichen Gebrauch oder als beliebig zu überhöhendes Sammelobjekt; ein Ansatz, der an konkreten Exponaten erprobt werden sollte.

Für diese thematische Zuspitzung bot sich London für eine Exkursion besonders an, da dort aufgrund der Ausbreitung des British Empires eine atemberaubende Zahl von kuriosen Objekten aus aller Welt zu bestaunen ist, die teils als Raubkunst, teils als Liebhaberstücke an die Themse gelangten. Zudem verfügt die Stadt über erstaunlich viele ehemalige Privatsammlungen, die unter dem nick name „Exzentriker-Museen“ wenig bekannt sind. Neben dem John Soane Museum ist hier das gemeinsam besuchte Haus von Dennis Severs (1949–1999) in Spitalfields zu nennen, in dem das Leben einer fiktiven Hugenottenfamilie des 18. Jahrhunderts anhand von – mit Affekten, Gerüchen, Geräuschen und taktilen Empfindungen – aufgeladenen Dingen als „still life drama“ wiederaufersteht.

In den zwei großen Institutionen, dem British Museum sowie dem Victoria & Albert Museum, ließen wir uns führen: Wir wählten zum Einstieg die jeweilige „Best-of“-Führung, um uns im zweiten Schritt einem besonderen Ding zu widmen. Die Studierenden hielten ihre Referate so nah am Ding wie möglich, mitunter aber auch an luftigen, lauschigen, zugigen Orten. Dank Prof. Hans Stofer erhielten wir eine ausführliche Werkstattführung durch die Metall- und Schmuckklassen auf dem Battersea-Campus des Royal College of Art. Fakultativ unternahmen wir Ausflüge ins Horniman und Freud Museum (mit seinen vielen Fetischen), auch besuchten wir „Much ado about Nothing“ in Shakespeares Globe Theatre. Im Warburg Institut wurde eine Gruppe von dreizehn Interessierten von Dr. Philipp Ekardt zum Gespräch begrüßt. Der Audio-Walk von Janet Cardiff, »Her Missing Voice« (1999) führte uns quer durch das Londoner East End von Jack the Ripper.

Auf dieser Reise wollten wir gemeinsam mit Studierenden aller Fächer über eine Objekttheorie nachdenken, die eine verbindende Qualität von Designobjekten und Kunstgegenständen formuliert. Wir entdeckten erstaunliche, streitbare, vergessene Dinge – und versuchten sie zugleich in den Kontext der Gegenwart zurückzuversetzen, ihre Relevanz für uns zu klären. Die Absicht der Exkursion nach London war es, sich von den Dingen dieser Welt und ihren Ideen beflügeln lassen und dies für die eigene, gestalterische wie künstlerische Arbeit fruchtbar zu machen.

 

 

REISEPLAN

TAG 1: Anreise mit dem Bus von Halle zum Flughafen Berlin-Schönefeld, von dort um 13:55 mit dem Flugzeug (easyJet) nach London-Gatwick, Bustransfer zum Bahnhof West Brompton, von dort mit der U-Bahn weiter zur Unterkunft Green Rooms im Distrikt Wood Green, wo auch das gemeinsame Abendessen bei einem freundlichen Italiener stattfindet.

 

TAG 2: Besuch des British Museum mit „best-of“-Führung und Referaten vor Ort, nachmittags

gemeinsamer Janet-Cardiff-Walk im East End, »Her Missing Voice.«

 

TAG 3: Fortführende Besichtigung des British Museum, mit dem Schwerpunkt auf der Ägypten-

Sammlung; nachmittags fakultativer Besuch des kleinen, aber feinen ägyptologischen Petrie Museums im University College of London.

 

TAG 4: Gemeinsames Besuch in den Metall- und Schmuckwerkstätten des Royal College of Art mit Prof. Hans Stofer, Spaziergang an der Thames entlang von South Kensington aus, anschließend gemeinsamer Besuch eines Pubs. Der Nachmittag zur freien Verfügung, in kleineren Gruppen ging es in Sir John Soanes Museum und in die Sammlungen des Horniman Museum. Der Abend war zu freien Verfügung, alles von Konzert- über Kinobesuche war dabei.

 

TAG 5: Morgendliche Erkundung der Westminster Abbey (und ihrer Königsgräber), Referate über den Trafalgar Square, Nelson’s Column und die venezianische Portraitkunst in der National Gallery.

Danach fakultatives Programm. Eine kleinere Gruppe fand sich Warburg Institut wieder, der

Kulturwissenschaftler Dr. Philip Ekardt nahm sich trotz (wegen Streiks geschlossener Bibliothek) Zeit für ein ausführliches Gespräch über Aby Warburg, das Schlangenritual, den Mnemosyne-Atlas und „bewegtes Beiwerk“ in der italienischen Renaissance-Malerei.

 

TAG 6: Zwei Führungen („best of“ und „Islam“) durch Kunsthandwerk- und Designmuseum (V&A), Referate vor Ort über die Arts & Crafts Bewegung, Alexander McQueen und das nahegelegende Designmuseum, das im Anschluss nach Gusto zu besichtigen war. Besonders angetan waren wir alle von dem auf der ersten Seite gezeigte Tiger-Orgel (Tippoo’s Tiger), weil hier einmal die Kolonialherren erwartet und auf ihr späteres Ende vorbereitet werden.

 

TAG 7: Referat vor Ort und virtuelle Psychoanalyse auf der Couch im Freud Museum. Dabei

interessieren uns besonders die Figurinen, Mini-Skulpturen und Fetische, die Freud auf seinem

Schreibtisch versammelte. Eine kleinere Gruppe fuhr dann zu Shakespeare ins Globe Theater an der Thames und genoss (stehend, stoisch) »Much ado about nothing.« Danach Aufwärmen in der Tate Modern nebenan und Besuch derselben. Um 18 Uhr treffen sich alle wieder im Dennis

Severs´ House mit einer Entführung ins frühe 19. Jahrhundert zu hugenottischen Seidenspinners bei Kerzenlicht. Ab 20 Uhr gemeinsames Abschlussessen (afrikanisch) in den Green Rooms.

 

TAG 8: Tag zur freien Verfügung. Rückflug um 18:05 von Gatwick, samt Taschentuch.