Erich Dieckmann mit Schülerinnen und Schülern (v.l.n.r.: Bernhard von Brandenstein, Katharina Dieckmann, Erich Dieckmann, Hela Jöns) auf von ihm gestalteten Korbsesseln.
Um 1931
Abzug Foto: Archiv der Sammlung Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
SPK und Staatliche Museen zu Berlin kooperieren mit Sachsen-Anhalt: Möbelgestalter Erich Dieckmann wird 2022 mit Ausstellung in Halle und Berlin geehrt
Kunstgewerbemuseum und Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin sowie Kunststiftung Sachsen-Anhalt und Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle starten im Frühjahr 2022 die Wiederentdeckung des Bauhäuslers – Sachsen-Anhalts Kulturminister Robra übergibt Fördermittelbescheid
Erich Dieckmann
Stahlrohrsessel, Ausführung: Cebaso, Ohrdruf, ca. 1931/32
Abzug Foto: Archiv der Sammlung Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Foto: Annemarie Giegold-Schilling
Erstmals seit über 30 Jahren wird dem Möbelgestalter, Bauhäusler und Burg-Lehrer Erich Dieckmann (1896–1944) wieder eine große Ausstellung gewidmet, die im Frühjahr 2022 in Halle (Saale) und Berlin zu sehen sein wird. Die Wiederentdeckung dieses prägenden Gestalters, der wie Marcel Breuer mit Formen und Materialien experimentierte und Typenmöbelprogramme nach streng geometrischen Formen entwickelte, ist eine gemeinschaftliche Idee des Kunstgewerbemuseums und der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin mit der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt und der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Sowohl in Berlin als auch in Halle (Saale) hatte Dieckmann gewirkt.
Nach einem Architekturstudium in Danzig und einem Mal- und Zeichenstudium in Dresden kam Erich Dieckmann 1921 an das Bauhaus nach Weimar, um dort eine Tischlerlehre zu absolvieren. Nachdem das Bauhaus 1925 nach Dessau weitergezogen war, blieb Dieckmann in der Nachfolgeeinrichtung, der Staatlichen Bauhochschule Weimar, und wurde dort im selben Jahr Leiter der Tischlerwerkstatt. 1931 folgte er vielen ehemaligen Bauhäuslern wie Marguerite Friedlaender und Gerhard Marcks an die Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein nach Halle (Saale). Dort leitete er von 1931 bis zu seiner Entlassung durch die Nationalsozialisten 1933 die Tischlereiwerkstatt. Danach schlug er sich schwer krank mit Sachbearbeiter- und Referentenjobs durch, bis er im November 1944 mit nur 48 Jahren starb.
Die geplante Ausstellung will nicht nur Leben und Werk Dieckmanns präsentieren, sondern wird auch danach fragen, wie inspirierend seine Ideen für heutige Gestalterinnen und Gestalter sind. Maßgeblich gefördert wird das Projekt durch das Land Sachsen-Anhalt. Starten wird die Ausstellung am 12. Februar 2022 in den Räumen der Kunststiftung Sachsen-Anhalt in Halle (Saale) und den Ausstellungsräumen der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Ab 8. April ist sie im Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin am Kulturforum zu sehen.
Kulturminister Rainer Robra, der heute den Fördermittelbescheid übergab, sagte: „Das 100-jährige Bauhausjubiläum hat uns gezeigt, dass für viele Möbeldesigner das Bauhaus heute noch das Maß aller Dinge ist. Gerade die richtungsweisende Gestaltung des Bauhäuslers Erich Dieckmann lehrt uns, dass die Avantgardebewegung im Design Mut, Leidenschaft und Energie hatte, um in schwierigen Zeiten Neues zu wagen. Daher freue ich mich ganz besonders, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit dem Kunstgewerbemuseum und der Kunstbibliothek, die Kunststiftung Sachsen-Anhalt und die Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle gemeinsam Erich Dieckmann in einer Ausstellung für ein großes Publikum wiederentdecken und würdigen.“
Für den Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, ist die Erich-Dieckmann-Ausstellung ein Beleg für die gute Zusammenarbeit mit Sachsen-Anhalt: „Vor zwei Jahren haben wir gemeinsam ein Bauhaus-Dinner zu Ehren dieses großen Gestalters ausgerichtet, jetzt wird es eine Ausstellung geben. Die SPK ist gelebter Kulturföderalismus und unsere Häuser sind gern auch immer wieder eine Bühne für Ausstellungen aus den Ländern. Umso mehr freue ich mich, dass erneut Sachsen-Anhalt in Berlin zu Gast ist und unsere Häuser in Halle gastieren.“
Das Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin beherbergt eine Auswahl der von Erich Dieckmann entworfenen Möbel aus seiner letzten Berliner Wohnung, die Kunstbibliothek hat 1970 umfangreiche Teile des Nachlasses von Dieckmann erworben. Darunter sind mehr als 1.600 seiner Grafiken, Entwürfe und Zeichnungen, die inzwischen digitalisiert, dokumentiert und online zugänglich sind.
Zum Konzept der Ausstellung sagt die Direktorin des Kunstgewerbemuseums, Sabine Thümmler: „Wir wollen detailliert und anschaulich das Leben und Wirken dieses großen Gestalters anhand von Archivmaterial, Entwurfszeichnungen und den ausgeführten Möbeln nachvollziehbar machen. Dieckmann hielt zeitlebens als Lehrer und Buchautor mit seinen Design-Konzepten nicht hinter dem Berg. Seine Entwürfe in einen Dialog mit zeitgenössischen Positionen treten zu lassen, wird neue Perspektiven auf das Design der Zwischenkriegszeit eröffnen und neue Blicke auf gegenwärtige Fragen an das Design ermöglichen.“
Moritz Wullen, Direktor der Kunstbibliothek, ergänzt: „Unsere Sammlung von Zeichnungen Erich Dieckmanns ist einfach fantastisch. Linie für Linie lässt sich miterleben, wie Dieckmann die Dinge in seinem kreativen Kopf Gestalt gewinnen ließ, sie fortwährend veränderte und immer weiter perfektionierte. Mit Mitteln des BKM ist es uns in einem ersten Schritt gelungen, diesen Schatz digital für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nun endlich werden dank der Förderung des Landes Sachsen-Anhalt die schönsten Zeichnungen auch im Original zu sehen sein.“
In der Kunststiftung Sachsen-Anhalt in Halle (Saale) arbeiten neben historischen Dokumenten und Objekten die Künstlerin Margit Jäschke und der Designer Stephan Schulz unter dem Titel „Living like Dieckmann“ an einem Raumkonzept für das 21. Jahrhundert. Es soll der Frage nachgehen, wie man im 21. Jahrhundert nachhaltig, schön und nützlich Alltagsgegenstände entwirft und umsetzt, die unser unmittelbares Lebensumfeld betreffen.
Stiftungsdirektorin Manon Bursian: „Erich Dieckmann hat zu seiner Zeit einen Massengeschmack geprägt. Dahinter steckte nicht nur Stil, sondern auch Haltung: Er sprach von ‚Lebenswärme und Wahrheit‘ und sagte: ‚Gönnen wir auch unseren modernen Wohnungen etwas Menschliches.‘ Aber was bedeutet das heute, wo jeder nicht nur schön und warm, sondern auch richtig und nachhaltig und gesund wohnen will? Margit Jäschke und Stephan Schulz fragen, was unsere Gestaltung heute bestimmt. Passt der Diskurs immer zum Design?“
In der Burg Galerie im Volkspark in Halle (Saale) werden experimentelle Arbeiten von Kunst- und Designstudierenden der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (BURG) neben ausgewählten Werken Dieckmanns zu sehen sein. Wie kann Dieckmanns Werk heute eingeordnet und interpretiert werden? Können die Ideen in die Zukunft transferiert, weiterentwickelt sowie neue Denkräume eröffnet werden? Und wie sehen Utopien für das 21. Jahrhundert aus? Studierende aus Industriedesign, Kommunikationsdesign, Kunst (Lehramt) sowie den Design Studies der BURG setzen sich hierzu mit dem Werk Erich Dieckmanns auseinander. Historische Objekte, Skizzen sowie Möbel aus dem Archiv der Kunsthochschule sowie der Stadt Halle (Saale) dienen dabei als Grundlage für eine aktuelle Annäherung; in mehreren Semesterprojekten entwickeln die Burg-Studierenden Arbeiten, die sich aus heutiger Sicht mit dem Werk befassen werden.
Burg-Rektor Dieter Hofmann zum Konzept: „Für uns als Kunsthochschule sind bei der Kooperation mehrere Aspekte besonders spannend – zum einen die Auseinandersetzung Studierender mit der institutionseigenen Gestaltungsgeschichte, zum anderen aber auch die Möglichkeit Fragestellungen an die Gestaltung der 1920er und 1930er Jahre rund 100 Jahre später wieder aufzunehmen und um zeitgenössische Blickwinkel ungewöhnlich zu erweitern und auch zu befragen.“
Erich Dieckmann
Großer Herrenschreibtisch, 1931
Abzug Foto: Archiv der Sammlung Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Foto: Betty Schulz-Briesen