Öffentliche Ausstellung aller Wettbewerbsbeiträge sind in Neinstedt noch bis zum 30. Oktober 2020 zu sehen. Foto: Ulrike Mohr
Stine Albrecht gewinnt Wettbewerb „Den Zahlen einen Namen geben“ in Neinstedt
Der gemeinsam von der Evangelischen Stiftung Neinstedt und der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle ausgelobte Wettbewerb „Den Zahlen einen Namen geben“ für einen Gedenkort in Neinstedt richtete sich an Studierende und Absolvent*innen beider Fachbereiche der Hochschule.
Entwurf der Bodenskulptur von Burg-Absolventin Stine Albrecht für den Wettbewerb „Den Zahlen einen Namen geben“ in Neinstedt. Gestaltung: Stine Albrecht
Seit mehr als neun Jahren widmete sich der Historiker Prof. Reinhard Neumann der intensiven Aufarbeitung der Geschichte der damaligen Neinstedter Anstalten. Hunderte Menschen aller Altersgruppen wurden hier im Rahmen der NS-Euthanasie-Mordaktionen in Zwischenanstalten „entlassen“ und die meisten sind danach in der Euthanasie-Anstalt Bernburg anonym ermordet worden. Zwischen dem 30. September 1938 und dem 26. November 1943 fanden „die Verlegungen“ von mehr als 1.000 Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen aus den damaligen Neinstedter Anstalten statt.
Mit der Ausschreibung soll in der Evangelischen Stiftung Neinstedt ein Gedenkort entstehen, der mit allen Sinnen erfasst werden kann. Den Opfern soll gewürdigt werden, indem man ihnen ihre Namen zurückgibt. Der zukünftige Gedenkort befindet sich auf der Wiese der Lindenhofkirche der Evangelischen Stiftung Neinstedt und wird dauerhaft sichtbar sein.
Die Jury hat den künstlerischen Entwurf von Stine Albrecht, Burg-Absolventin der Bildhauerei/Metall, zur Realisierung empfohlen. Der Wettbewerbsbeitrag ist mit 25.000 Euro dotiert und wird bis zum 20.09.2021 realisiert werden.
Der Entwurf von Stine Albrecht sieht eine Bodenskulptur in Form einer stilisierten Blüte vor, die aus einem 35 cm breiten Messingband auf Punktfundamenten platziert wird. Dort sind alle Namen der Opfer eingeprägt. Die Skulptur soll leicht angeschrägt und etwas erhöht positioniert werden, so dass Betrachter*innen auch von einer größeren Entfernung auf den Gedenkort aufmerksam werden. Ein barrierefreier Pflasterweg ermöglicht einen Rundgang um das Messingband und um das Beet. Innerhalb des Messingbandes soll ein Beet aus blau blühenden Frühblühern, verschiedenen Iris-Arten und weiteren Pflanzen entstehen, die ganzjährig blühen. Mit der Pflege des Beetes können die Bewohner*innen der evangelischen Stiftung in Neinstedt am Gedenkort teilhaben.
Ihre künstlerische Idee beschreibt Stine Albrecht so: „Mein Entwurf für den Gedenkort der Euthanasieopfer nimmt sich als flache Bodenskulptur bewusst räumlich zurück, integriert sich natürlich in das Landschaftsbild und steht als Fläche dennoch im Kontrast zur Umgebung: den emporragenden Linden, dem Euthanasiedenkmal von Wieland Schmiedel, der Kirche und der bewegten Landschaft des Harzvorlandes. [...] Die goldfarbene Blumenform zitiert die sakralen Schmuckornamente aus der Deckenmalerei der Apsis in der Lindenhofkirche, die auf blauem Hintergrund für ein ewiges, himmlisches Leben im Paradies stehen mögen. Auch die blaue Lilie steht symbolisch für das ewige Leben. Einer Legende nach sollen nach dem Tod Marias Lilien und Rosen statt ihres Leichnams im Grab gefunden worden sein. Die Lilie, oder Iris, die nach der gleichnamigen griechischen Götterbotin genannt ist, wurde vor Jahrtausenden als Begleiterin der Seelen ins Totenreich angesehen. Die christliche Religion hat die Bedeutung der Iris als Götterbotin ebenfalls übernommen, die zusammen mit der symbolischen Kraft des Regenbogens einen Bogen zwischen Menschen und Gott schlägt.“
Der zweistufige, anonyme Wettbewerb fand unter der Leitung von Ulrike Mohr, Künstlerin und Lehrbeauftragte für „Kunst am Bau“ im Projekt „Burg gestaltet! Qualitätspakt Lehre“ statt.
Die Jury des Preisgerichts setzte sich wie folgt zusammen:
Fachpreisrichter*innen
- Dr. Annegret Laabs, Direktorin des Kunstmuseums Kloster Unser Lieben Frauen, Magdeburg
- Prof. Rolf Wicker, Professor für Bildnerische Grundlagen/Plastik an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
- Renate Wolff, Bildende Künstlerin, Berlin
- Monika Goetz, Bildende Künstlerin, Berlin
Ständig anwesender stellvertretender Fachpreisrichter
- Thomas Kirchner, Bildender Künstler
Sachpreisrichter*innen
- Natalie Gaitzsch, Kuratorin und Dozentin der Stiftung Neinstedt
- Friederike Sehmsdorf, Stiftungsrat der Stiftung Neinstedt
Ständig anwesende stellvertretende Sachpreisrichterin
- Irene Heilemann, Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung Neinstedt
Sachverständige und Berater
- Paul Ulrich Grimm, Architekt der Stiftung Neinstedt
- Reinhard Neumann, Historiker, Geschichte - Ethik - Theorie der Sozialen Arbeit, Fachhochschule Bethel
Vorprüfung und Durchführung
- Ulrike Mohr, Bildende Künstlerin, Lehrbeauftragte „Kunst am Bau“ der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
- Carmen Voigt, Wissenschaftliche Hilfskraft „Kunst am Bau“ der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
- Miriam Albert, Wissenschaftliche Hilfskraft „Kunst am Bau“ der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Am Wettbewerb beteiligten sich die Künstler*innen:
Stine Albrecht, Linda Dalitz, Markus Ettenauer, Jan Herzog, Susanne Hopmann, Timo Jakobi und Lorenz Kuschnig, Lucy König, Jennifer Pluskat, Kyoungmi Ryou, Johannes Schellenberg, Pauline Ullrich und Marlene Vollmar.
Die Ausstellung aller Wettbewerbsentwürfe ist noch bis zum 30. Oktober 2020 in Neinstedt zu sehen.
Öffentliche Ausstellung aller Wettbewerbsbeiträge. Foto: Ulrike Mohr