Bestandsgebäude Marktplatz 20 – Foto: Anna Rüffert
Restefest –
Ein Kaufhaus wird zur Markthalle für nachhaltige Gastronomie
Entwurfsprojekt Sommersemester 2023 | Prof. Rita Rentzsch und KM Anna Rüffert
Jahresausstellung – Foto: Rita Rentzsch
Jährlich fallen in deutschen Industrien und Gewerben ca. 50 Millionen Tonnen Abfall an. Welches Potenzial hat dieser sogenannte Pre-Consumer-Waste als Rohstoff für Raumgestaltung?
Im Sommersemester 2023 widmen sich sechs Studierende der Innenarchitektur folgendem Entwurfsszenario: In einem ehemaligen Galeria Kaufhof Gebäude in Halle soll eine Markthalle mit vielseitigen nachhaltigen Gastronomien eröffnen. Das 1500 Quadratmeter große Erdgeschoss wird für die Bearbeitung in Lose aufgeteilt.
Entstanden sind drei Entwürfe von eindrucksvollen Gastroräumen der Zukunft. Ein besonderer Bestandteil jedes Projekts ist die Verarbeitung von Materialresten aus industrieller Fertigung. Im Semesterverlauf wurden damit atmosphärisch wirksame Oberflächen entwickelt und ausschnitthaft in Originalgröße hergestellt.
Flächenlayout der neuen Markthalle – Darstellung: Anna Rüffert
Zum Projektstart Ende März 2023 unternehmen wir eine Exkursion nach Hannover und Bremen. Beim Besuch zahlreicher Gastro-Orte liegt unser Fokus auf Raumqualitäten und nachhaltigen Ideen. Mit der Markthalle Hannover und der Bremer Markthalle Acht besichtigen wir zwei konträre Konzepte: autarke Stände mit eigenen Sitzbereichen stehen gemeinschaftlicher Infrastruktur gegenüber. Projektbezogene Expertise erhalten wir im Klima Bau Zentrum in Bremen. Bereichernd sind zudem die persönlichen Einblicke in die Arbeit lokaler Gestaltungsbüros und Initiativen.
Exkursion nach Hannover und Bremen
Drei intensive Workshops mit unterschiedlichem Schwerpunkten ergänzen die Planungsphasen. Im Workshop mit der Production Designerin Ann-Kristin Büttner experimentieren die Studiengruppe ausgiebig mit Abfallmaterial aus industriellen Herstellungsprozessen. Es wird gehäckselt, geschweißt, geschmolzen, gescheitert, gebogen, getrocknet, gepresst und immer weiter – es entstehen spannende Flächenproben und erste Verwendungsansätze.
Workshop mit Ann-Kristin Büttner – Foto: Paula Ködding
Materialexperimente – Foto: Lillian Fischer
Workshop Nachhaltig Konstruieren mit Reinder Bakker – Foto: Anna Rüffert
Mit Reinder Bakker vom Amsterdamer Büro Overtreders W werden Möglichkeiten zur konstruktiven Umsetzung geprüft, wobei der Fokus auf Nachhaltigkeit innerhalb der verwendeten Materialien und der Art der Konstruktion liegt.
In der Endphase der Entwurfsausarbeitung unterstützt die Künstlerin Mona Schaffer die Entwursfteams beim Formulieren der formulieren einer kraftvollen Atmosphäre für die visuelle Kommunikation ihrer Projekte. Durch malerisches Erforschen von Begriffen und Stimmungen werden eine Vielzahl von Strukturen erstellt, digitalisiert und anschließend in perspektivischen Darstellungen verwendet.
Workshop Darstellen mit Mona Schaffer – Strukturexperiment
Zwischenpräsentation – Foto: Anna Rüffert
Projektpräsentation zur Jahresausstellung – Foto: Anna Rüffert
Florentine Bahls und Marie-Sophie Runge
DIE BUNTE STULLE
Eine knusprige Scheibe Brot mit selbst gemachtem Dip und frischem Gemüse – alle Zutaten saisonal und regional – das bietet Die Bunte Stulle in der neuen Markthalle am Halleschen Marktplatz. Im Erdgeschoss des ehemaligen Galeria Kaufhof Gebäudes zoniert nun ein besonderer Gemüsegarten das gemeinschaftliche Essen.
Die verschiedenen Sitzqualitäten HOCH HINAUS, BODENNÄHE und VERWURZELT orientieren sich an Wuchshöhe und Farbigkeit von Blumenkohl, Rosenkohl sowie Radieschen. Die Wahl der verschiedenen Materialien im grünen Farbspektrum und deren vielfältigen Qualitäten laden zum Erkunden des Raumes ein. Holzkonstruktionen rahmen und überdachen die Sitzareale in verschiedenen Höhen. Die Sitzbereiche sind mit wiederverwendeten PVC-Resten überspannt, welche durch eine eigens entwickelte Methode in der Holzkonstruktion befestigt werden. Durch die variierende Höhe dieser Konstruktion, in Kombination mit der besonderen Oberflächenstruktur der PVC-Plane, ergeben sich unterschiedliche Atmosphären beim Sitzen und Verweilen.
Es entsteht ein vielfältiger und bunter Garten, der Besuchende zu bewusstem Genuss auf eine kulinarische Entdeckungstour einlädt.
DIE BUNTE STULLE – Axonometrie
DIE BUNTE STULLE – Detail – Foto: Max Méndez
Transparente PVC-Planen werden als Rollenware verkauft. Ungenutzte Endstücke und Zuschnittreste erhalten durch thermische Strukturierung eine neue Qualität. Mithilfe schmaler Verbinder werden die Teilstücke an der Heizkeilschweißmaschine zu großformatigen lichtdurchlässigen Deckenelementen gefügt.
Lillian Fischer und Anna Romanow
IL SILENZIO
Mitten im geschäftigen Innenstadttreiben von Halle entsteht Il SILENZIO – ein Ort der kulinarischen Besinnung. In der neuen Markthalle im ehemaligen Kaufhof-Gebäude haben wir unser Baulos in drei Zonen unterteilt. Das Herzstück bildet ein von Marktständen umgebener Innenhof. Hier sitzen die Gäste an einem Ort der Ruhe – abgeschirmt vom lauten, bunten Marktgeschehen.
Für die einzigartige Atmosphäre haben wir gewebte Wände aus Biokeramik entwickelt. Deren Module sind aus gemahlenen Eierschalen hergestellt. Die Marktstände selbst sind aus Holz und Stahl konstruiert. Ein von der Decke abgehängter Rahmen aus Altholzbalken birgt technische Komponenten und Elektrik. Ein weiterer Rahmen dient als Zubereitungs- und Verkaufstresen. Stahlblech Oberflächen im unteren Teil des Standes können nach Belieben beleuchtet und beschriftet werden. An einem der Marktstände verkauft eine Konditorei luftige Windbeutel, fluffige Meringue und leichte Mousse. Die vielen dabei abfallenden Eierschalen dienen als Grundlage für biologisch abbaubare Keramik.
Ein weiterer Nachhaltigkeitsaspekt liegt auf sozialer Ebene: Gäste können sich mit eigenen Gebäckrezepten an einer stetig wachsenden Postkartensammlung beteiligen.
IL SILENZIO – Explosionsaxonometrie Verkaufsstand
IL SILENZIO – Detail – Foto: Max Méndez
Eierschalen aus der Lebensmittelindustrie enden meist als Abfall. Zermahlen können sie mit Alginat und Wasser zu Biokeramik gebunden werden. Aus etwa 50 Eierschalen entsteht eine Masse, die in einer Silikonmatrize zu Modulen geformt und getrocknet wird. Aufgefädelt bilden die Module einen Raumtrenner.
Katharina Fußeder und Paula Ködding
HALTBAR
Das Konzept HALTBAR konzentriert sich auf das Wertschätzen, Wiederverwenden und Konservieren: sowohl durch ein besonderes Gastronomiekonzept als auch in Bezug auf den Umbau des Bestandes zur Markthalle.
Die Gastronomie HALTBAR arbeitet mit dem traditionellen Verfahren des Einkochens, um unverarbeitete Lebensmittelreste zu konservieren. Die Kundschaft wählt ein köstliches Dreierlei im Einmachglas bestehend aus Semmelteig und zwei eingekochten Obst- oder Gemüsebeilagen.
Ein Großteil der verwendeten Baumaterialien stammt aus der ehemaligen Nutzung als Kaufhaus. Im Sinne des Zirkulären Bauens entstehen aus wiederverwendeten Trockenbauprofilen raumgebende Regale. Wie gut gefüllte Speisekammern umschließen sie die Marktstände. Analog trocknender Kräuter zonieren ausgediente Leuchtstoffröhren die Verkaufsbereiche zusätzlich von oben.
Der großzügige Gastraum offeriert ein geselliges Esszimmer auf einem Podest aus rückgebauten Rolltreppenstufen. Stimmungsvolles Licht fällt durch Filterelemente aus gewebten Verpackungsbändern entlang der Fensterflächen und der Deckenleuchten.
Die zirkulären Konzepte werden den Gästen in einer Ausstellung nahegebracht. Ebenso bietet ein Bereich für Foodsharing gerettete Lebensmittel kostenfrei an.
HALTBAR – Gastronomiekonzept
HALTBAR – Axonometrie und Materialkonzept
HALTBAR – Detail – Foto: Max Méndez
Polyester-Umreifungsbänder fixieren vielerlei Verpackungen. Nach dem Zerschneiden werden diese unbrauchbar. Mit der Handwerkskunst des Webens entstehen aus den Einzelbändern transluzente Oberflächen für Fensterblenden und Lampenschirme. Punktschweißen ermöglicht das Fügen der Abschnittenden.
Studierende:
Florentine Bahls
Lillian Fischer
Katharina Fußeder
Paula Ködding
Marie-Sophie Runge
Anna Romanow
Workshops mit:
Ann-Kristin Büttner
Reinder Bakker
Mona Schaffer
Studierende:
Florentine Bahls
Lillian Fischer
Katharina Fußeder
Paula Ködding
Marie-Sophie Runge
Anna Romanow
Workshops mit:
Ann-Kristin Büttner
Reinder Bakker
Mona Schaffer