Erinnerungsflächen
Ein Forschungsprojekt zu narrativen Oberflächen.
Entwurfsprojekt SoSe2020, Prof. Rita Rentzsch, KM Janna Nikoleit
Wiederholt sich die Vergangenheit? Ist Sprache sicher? Wie gefährlich ist Schutz? Gibt es eine richtige Heimat? Wie radikalisiert sich ein Mensch? Können Mauern sprechen?
Projekt
Die Saalecker Werkstätten haben eine schwerwiegende Vergangenheit. Ihre Geschichte ist stark an die Person des Architekten und Rassenideologen Paul Schultze-Naumburg geknüpft. Studierende der Innenarchitektur an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle suchen im Projekt Erinnerungsflächen Zugänge zu diesem unbequemen Denkmal. Sie erforschen Möglichkeiten, um in Architekturen eingeschriebenes, nicht sichtbares Wissen erlebbar zu machen. Dafür werden die Außenmauern des Grundstücks zum Sprechen gebracht. Fünf Installationen eröffnen Vorbeigehenden neue Blickwinkel auf den Ort, betten diesen in zeitgenössische Netzwerke ein und geben Raum für individuelle Begegnungen. Für den Tag der Offenen Tür in Saaleck wurde ein Audiofeature produziert, welches den Besucher*innen beim Gang entlang der Außenmauer Einblicke in die poetischen, sachlichen oder spielerischen Auseinandersetzungen gibt.
Pandemie und digitale Lehre
Kurz vor Semesterstart ereilt Deutschland der erste Corona-bedingte Lockdown. Das Semester wird auf wackeligen Beinen in den körperlosen digitalen Raum verlegt. Exkursion und Auftaktworkshop müssen entfallen. Auch die Orstbesichtigung des Bestandes in Saaleck ist nicht möglich. Wie gelingt das Studium von Atmosphäre ohne physische Erfahrung? Wie lassen sich Materialien erforschen, wenn die Werkstätten der Hochschule geschlossen bleiben?
Ein engagiertes Beispiel ist der Workshop Interaktive Medien. Spontan macht Tom Hanke die Durchführung im digitalen Raum möglich. Alle Projektteilnehmenden erhalten ausgewählte Technikkomponenten per Post nach Hause. Es entstehen funktionstüchtige Modellaufbauten von interaktiven Medienanwendungen auf den Heimschreibtischen der Studierenden.
Tatsächlich sieht und bespricht sich die Projektgruppe ausschließlich digital. Auch die wertvollen Schulterblicke mit Vertreter*innen der Saalecker Werkstätten finden online statt. Einzige Ausnahmen sind ein Treffen in Saaleck in der Mitte des Projektverlaufs und der Tag der Offenen Tür als Projektabschluss.
Grenzen ziehen? – Was der Begriff Heimatschutz wirklich bedeutet
Ellen Church & Karoline Schnittka
Paul Schultze-Naumburg ist der Verfasser der Kulturarbeiten und ein Wortführer der Heimatschutzbewegung. Der Entwurf untersucht das Weiterleben seines Gedankengutes in Organisationen und Institutionen bis in die Jetztzeit. Die Außenmauer seines ehemaligen Wohn- und Wirkungsortes wird zur Informationsträgerin.
Grundlage der Umsetzung ist die Feldsteinstruktur des Gemäuers, in welche elf Tafeln eingelassen sind. Diese zeigen in Film, Bild, Audio und Text auf, wie der Begriff Heimatschutz von einzelnen Gruppen genutzt wird. Es werden dabei die Verbindungen zu Naturschutz, Heimat, Denkmalpflege und Heimatarchitektur sichtbar gemacht. Zwei plakative Schriftzüge rahmen den Informationsbereich ein und wecken die Aufmerksamkeit der Vorbeigehenden.
Schärfende Blicke
– Eine Überlagerung mit der Vergangenheit der Saalecker Werkstätten
Rick Ahnert
Die Skulptur Schärfende Blicke fällt Besuchenden der Saalecker Werkstätten sofort ins Auge. Die übergroße kupferne Teilplastik eines Menschen sitzt gelassen auf der Bruchsteinmauer. Wagen Vorbeigehende einen Blick in einen Fuß der Skulptur, öffnet sich ihnen die Sicht auf den liebevoll gestalteten Park hinter der Mauer. Eine ausgeklügelte optische Führung im Korpus der Figur ermöglicht die Überlagerung der idyllischen Naturinszenierung mit Zitaten des ehemaligen Grundstücksbesitzers Paul Schultze-Naumburg. Betrachtende verfolgen die kontroverse Entwicklung des Architekten vom naturverbunden Menschen zum menschenverachtenden Rassenideologen und erweitern ihren Blick für die Geschichte des Ortes.
Heimat ist Divers
–
Eine Gegenposition zu Paul Schultze-Naumburg
Nora Fenkner & Mark Teucher
Der Heimatbegriff befindet sich in ständiger Diskussion. Nicht selten wird er gezielt genutzt, um Menschen auszugrenzen – so auch im Werk des Rassenideologen Paul Schutze-Naumburg. Unsere Installation für die Außenmauer seines Wohnsitzes in Saaleck befreit den Heimatbegriff von universellen Definitionen und gibt Raum für Aussagen, die vor allem eines sind: nah und menschlich. Die Gedanken zahlreicher Menschen werden für Vorbeigehende durch interaktive Elemente zum Sprechen gebracht. Individuelle Sinnesempfindungen verdeutlichen die Vielfalt der Wahrnehmungen. Dabei werden die Betrachter*innen angeregt, ihre eigene Vorstellung von Heimat zu reflektieren. Das Gesamtbild der Installation befindet sich in ständigem Wandel.
Hauptsache nichts Neues
– Von Paul Schultze-Naumburg zu konservativen Architektur-Memes in den sozialen Medien
Sina Dreßler & Johannes Kapp
Paul Schutze-Naumburgs Schriften über Architektur sind geprägt von Gut-Schlecht-Vergleichen. Ein Audiowalk entlang der Außenmauer der Saalecker Werkstätten zeigt die Parallelen zwischen seiner Rhetorik und der zeitgenössichen Architektur-Diskussion im Internet. Insbesondere die Kommentare auf Memes der Plattform Architectural Revival in den sozialen Medien zeigen, wie schnell auch heute noch Vorbehalte in Rassismus umschlagen. In unserem Projekt begegnen Vorbeischlendernde einem interaktiven Hörerlebnis. Der Mauer sind partielle Negativabgüsse aus blauem Kunstharz gegenübergestellt. Hörstationen im Originalgemäuer zitieren historisches Gedankengut, während die Nachformungen zeitgenössische Stimmen wiedergeben.
Pssst! – Über Worte stolpern
Ulla Willis
Die Begriffe HEIMAT, KUNST, IDENTITÄT und NATUR sind prägend für das Werk und Wirken von Paul Schultze-Naumburg. Fünf interaktive Objekte an der Grundstücksmauer seines Wohn- und Werkstatthauses in Saaleck laden die Vorbeigehenden auf spielerische und humorvolle Weise dazu ein, mit den teils schwierigen Begriffen zu interagieren. Am HEIMAT-Automaten beispielsweise können sie sich ihre Wunschheimat aussuchen und sich am IDENTITÄT-Telefon in ein Gespräch mit dem Protagonisten verstricken lassen. Der Weg entlang der Mauer zeigt auf, dass unsere Sprache ein kreatives und wandelbares Medium ist, dessen Bedeutungen sich immer wieder auch ändern können.
Grundstück der Saalecker Werkstätten
Weg entlang der Mauer der Saalecker Werkstätten
Projektausstellung zum dieDAS-Tag der offenen Tür
Foto: Falko Matte
Workshop Interaktive Medien: Modellaufbauten im Test
Foto: Ulla Willis
Audiofeature zum Projekt
mit den Studierenden
Rick Ahnert
Ellen Church
Sina Dreßler
Nora Fenkner
Johannes Kapp
Karoline Schnittka
Mark Teucher
Ulla Willis
Ein Kooperationsprojekt mit
dieDAS Design Akademie Saaleck
Arne C. Wasmuth
Tatjana Sprick
Pablo v. Frankenberg
Workshop Interaktive Medien
Tom Hanke
Betreuung
Prof. Rita Rentzsch
KM Janna Nikoleit
Audiofeature zum Projekt
mit den Studierenden
Rick Ahnert
Ellen Church
Sina Dreßler
Nora Fenkner
Johannes Kapp
Karoline Schnittka
Mark Teucher
Ulla Willis
Ein Kooperationsprojekt mit
dieDAS Design Akademie Saaleck
Arne C. Wasmuth
Tatjana Sprick
Pablo v. Frankenberg
Workshop Interaktive Medien
Tom Hanke
Betreuung
Prof. Rita Rentzsch
KM Janna Nikoleit