papercut (Mühle)
– so viel Rasierer wie nötig –
von Lion Sanguinette
Was ist bedarfsgerechtes Rasieren? Rasurprodukte gibt es heutzutage in allerlei Form und Farbe, wer jedoch ein „nachhaltiges“ Produkt erwerben möchte, muss tief in die Tasche greifen. Zudem verpflichtet ein edler Rasierhobel aufgrund der Verarbeitung und CO2-aufwendigen Materialbeschaffenheit zur lebenslangen Nutzung. Um dem Stand der Dinge entgegenzuwirken und andere Optionen zu schaffen, habe ich in meinem Semesterprojekt zwei Alternativen erstellt, die beide materialgerecht, hochwertig und der Nutzungsdauer entsprechend gestaltet sind. Es sind zwei mit Mühle kompatible Produkte entstanden.
Das erste Ergebnis meiner Projektarbeit ist ein Metallrasierer. Dieser zeichnet sich durch elegante, aber trotzdem materialsparende Formsprache aus. Die Art und Weise der Herstellung floss dabei direkt in den Gestaltungsprozess ein, um komplizierte Fertigungsmethoden zu vermeiden. Dies ermöglicht eine lokale Produktion ohne die Einbindung von spezialisierten Firmen aus dem Ausland. So lässt sich zum Beispiel der Griff des Rasierers durch eine simple Biegemaschine herstellen, wobei 100 % des Materials genutzt werden. Der durchschnittliche Materialabfall beim gefrästen Griff des Rasierhobels dagegen liegt bei ungefähr 25 %. Auch wenn das Metall wieder dem Materialkreislauf beigefügt wird, ist damit ein hoher Energieaufwand verbunden. Eine weitere Problematik, mit der ich mich beschäftigt habe, ist der Klingenwechselmechanismus. Um das Einsetzen neuer Klingen zu ermöglichen, ohne dabei zu komplex zu werden, ist ein Spannmechanismus vorgesehen. Zum Auswechseln der Klingen drückt man die beiden Griffseiten so zueinander, dass die Klingenhalterung aus der Verankerung fällt. Dies funktioniert, da der Griff des Rasierers konstant unter Spannung steht. Um den Spannmechanismus nicht ungewollt zu betätigen, lässt sich dieser aufgrund der Materialsteifigkeit von Metall nur am obersten Hebelpunkt des Griffes betätigen. Das Zusammenspiel dieser einfachen Komponenten schafft eine materialgerechtere Option, die in meinen Augen trotz Bedarfsgerechtigkeit mit Mühle kompatibel ist.
Die zweite von mir erstellte Option ist ein Wegwerfrasierer aus Papier. Wegwerfprodukte werden oft als „trashy“ angesehen, sind aber in vielen Fällen extrem nützlich. Mögliche Use Cases wären zum Beispiel Krankenhäuser und Hotels. Diese könnten im direkten Austausch mit der Firma Mühle stehen und die benutzten Klingen getrennt vom Papier wieder an die Produktion schicken. Die spezielle Legierung der Klingen werden dann vor Ort eingeschmolzen und wieder aufbereitet. Das restliche Papier am Rasierer ist aufgrund der vorhandenen Infrastruktur einfach im Papiermüll zu entsorgen. Zusammen mit anderem Altpapier wird es dann in Recycleanlagen aufbereitet und findet so wieder den Weg zur Produktion. Wegwerfrasierer sind außerdem praktisch für Menschen, die noch nicht bereit sind, in ein teureres Produkt zu investieren oder ihren eigentlichen Rasierer auf Reisen nicht mit sich tragen. Hier ließen sich die Klingen von den Nutzer*innen persönlich sammeln und per Briefumschlag zurück an die Produktion schicken. Um eine ausreichend lange Nutzung des Rasierers zu gewährleisten, war ich mit mehreren Firmen in Kontakt, welche mit Papierspritzguss arbeiten. Durch die hohe Komprimierung des Materials während des Vorgangs wird eine extrem harte Oberflächenbeschaffenheit erreicht. Das Spritzgussteil hat dann im abgekühlten Zustand Kunststoff ähnliche Eigenschaften und ist auf bestimmte Zeit hydrophob. Diese Wasserbeständigkeit reicht aus, um sich so oft zu rasieren, wie man es mit einem Wegwerfrasierer durchschnittlich tut. Um die Klinge nach der Benutzung dann unfallfrei aus dem Rasierer zu entfernen, ist eine Lasche vorgesehen. Zieht man an dieser, löst sich der vordere Teil über der Klinge ab und legt diese frei. Zudem ähnelt sich die begrenzte Nutzungsdauer des Papiers mit der Nutzungsdauer der eingebauten Rasierklinge. Das macht den Papierwegwerfrasierer im Vergleich zum handelsüblichen Plastikwegwerfprodukt bedarfsgerecht.