Marcus Wachter
Stören, Täuschen, Übertreiben
Eine typografische Intervention — Kompaktwoche in
Schrift und Typografie, betreut von Prof. Andrea Tinnes und Anja Kaiser MA
Manchmal braucht es eine Lüge, um die Wahrheit zu enthüllen
Sunzi, die Kunst des Krieges
We don’t get involved in politics, we’re not romantics.
The ethics of a bank is to make its client richer.
Netwerk Vlaanderen, ACE bank movie
Intervention findet heute in vielfältigen Kontexten Verwendung, ob in Kunst, Militär, Wirtschaft, Medizin oder Pädagogik. Der Gebrauch des Begriffs begegnet uns im Übermaß ohne auf eine feste Definition zu verweisen. Besonders in Politik und Wirtschaft erfährt die Intervention eifrig Zuspruch. Dank der positiven Konnotation des Aufbrechens von Handlungsräumen lassen sich Inhalte kaschieren. Intervenieren beschreibt das »Dazwischenkommen, Dazwischentreten« (abgeleitet aus dem Lateinischen) und soll gegenwärtig durch das Eingreifen, Einfluss nehmen, Einmischen, Einmarschieren soziale Wirklichkeit verändern. Die Strategie des Fälschens und des Fakes gilt als Intervention, so greift auch sie in bereits existierende Umstände ein.
Das zu anfangs verwendete Zitat der ACE Bank stammt aus dem Imagefilm eines in 2006 eröffneten Bankhauses in Brüssel. Es warb mit effektiven Geldanlagen bevorzugt in Waffenindustrie, Öl- und Gasförderprojekte mit dem Verweis auf die Investitionsfreiheit. Erst während der Pressekonferenz, nach einem beachtlichen Medienecho und ersten interessierten Kundenschwärmen wurde bekanntgegeben, dass es sich um einen Fake der Gruppe Netwerk Vlaanderen handelt.
Wie lässt sich also in bestehende Kontexte typografisch und textlich eingreifen oder einmarschieren und gleichzeitig der Moment der Enttarnung von vornherein mitentwerfen? Wie lassen sich Absichten simple in ihr Gegenteil verklären, stören oder übertreiben? Wie sieht die nächste Flugblattattraktion aus und welche gefälschte Presseerklärung erreicht uns demnächst?
In dieser Kompaktwoche beschäftigten wir uns mit den Strategien der Überaffirmation, entwurfen Streisand-Effekte und fälschten Botschaften mit Hilfe von inszenierender Typografie. Für die typografischen Interventionen wählten die Studierenden Passagen und Textbausteine aus einer Vielzahl von Zitaten, Popsongs, Petitionen, Gesetzestexten, Erklärungen und Nachrichten oder zitierten öffentliche oder politische Persönlichkeiten mit verschiedenen Positionen. Durch textliche Eingriffe wurden die Texte gestört, übertrieben,persifliert, in ihr Gegenteil verkehrt oder zu Falschnachrichten weiterverarbeitet. Während wir uns also einerseits mit subversiven Strategien des Handelns und Gestaltens auseinandersetzten, erforschten wir andererseits die Möglichkeiten des typografischen Eingreifens, Aneignens und Umcodierens.
Studierende: Christina Albrecht, Carla Enchemaier, Julia Graf, Martin Hensel, Jana Kim Hildebrandt, Miriam Humm, Tina Kaden, Vreni Knödler, Franziska Kronmüller, Thi Ngoc Han Le, Ji Hee Lee, Marius Mühleisen, Claudia Nielsen, Hauke Odendahl, Sena Oh, Victor Reichert, Katharina Scholz, Doreen Baldauf, Marcus Wachter, Winter Arne, Janis Esselsbrügge, Mateusz Zielenieski, Arne Mross, René Neidhart, Arne Winter
Han Le
Victor Reichert
Sena Oh
Jihee Lee
Tina Kaden
Claudia Nilesen
Marius Mühleisen
Mateusz Zielenieski
Hauke Odendahl
Jahresausstellung 2016
Vreni Knödler
Miriam Humm
Arne Winter
Jahresausstellung 2016