FAITH
Faith ist ein experimenteller dokumentarischer Kurzfilm, der während meines Stipendien-Aufenthaltes 2017 in Zusammenarbeit mit dem Filmemacher Rahim Unlu als Recherche in Istanbul entstanden ist.
Er resultiert aus der Begegnung mit einer afghanischen Community, die in dem Stadtteil Vefa des Bezirks Fatih im Schatten der Suleymaniye Moschee in Ruinen lebt und als Papiersammler tätig ist.
Dieser Essay zeigt eine rhythmische Abfolge von atmosphärisch beschreibenden Standbild-Aufnahmen mit Ausschnitten aus dem suburbanen Raum Istanbuls. Der Sound im Hintergrund soll eine Gesamtstimmung und einen Eindruck der Akustik im Viertel erwecken. Existentielle Fragestellungen als Einleitung in Form von Text sind eine abstrahierte Reflexion zu einer zwischenmenschlichen Begegnung an einem Nicht-Ort, die sowohl auf einen ortsspezifischen Kontext, als auch auf universaler Ebene zu lesen sind. In den Bildern interessiert mich die Logik des Materials, die eine Art Eigenleben führt. Dabei stellt sich die Frage, was im Material spricht. Die Darstellung der Bilder deutet auf ein fragiles und vorsichtiges Herantasten im Bezug auf Anwesenheit und Abwesenheit, Verortung und Ortlosigkeit. Diese Recherche ist eine Hommage an die
Menschen, die das Weiterstreben nicht aufgeben.
IN SILENCE Diplomarbeit 2018 von Lisa Kohl
STATEMENT
In meinem bisherigen Kunstschaffen habe ich mich mit Rauminstallation, Sound-Video- Installation und dem Arbeiten mit objets trouvés beschäftigt. In raumübergreifenden, ortsgebundenen und situationsbezogenen Plastiken und Bildern manifestieren sich meine inhaltlichen Schwerpunkte um Prekarität, Migration, Verortung und Ortlosigkeit sowie der/ die/ das Fremde. Aus einer Dringlichkeit heraus suche ich die Begegnung mit Menschen und Orten – sie sind Auslöser meines Schaffensprozesses.
Schon lange stelle ich mir die Frage, welche Verantwortung wir als Kunstschaffende in der Gesellschaft tragen und welchen Einfluss wir auf sie haben können. Ich sehe eine Form der Notwendigkeit, meine Erfahrungen, Empfindungen und meine Betroffenheit in Bezug auf sozial politische Entwicklungen auf künstlerische Weise zu veräußern, die Kunst als Sprachrohr zu nutzen. Dies bedeutet, mich den Erlebnissen derer zu öffnen, welche kein Recht auf Wortmeldung haben, um für sie Zeugnis abzulegen.
Wie schaffe ich Gehör, wie werde ich innerhalb eines Ausstellungskontextes zu einem Sprachrohr für Andere? – In meiner Arbeitsweise stoße ich auf Kernfragen des Zeigens und des Sprechens im künstlerischen Kontext. Das direkte Erleben, wie es Betroffene erleben oder erlebt haben, für Andere fassbar und greifbar zu machen, ist von vorn herein zum Scheitern verurteilt. Mein Anliegen ist dennoch der Versuch Nicht-Zeigbares zu zeigen und auf Ungesehenes zu deuten; ein Spannungsverhältnis zwischen Realität und Repräsentation aufzubauen. Die Fragen nach dem Umgang mit Bildern, nach dem Bild als Repräsentation, nach der Verantwortung gegenüber dem Abgebildeten, sind die Grundbasis meiner Herangehensweise als Künstlerin.
Politische Erfahrungen, Ideen und Vorstellungen auf poetische Art umzusetzen und in einen künstlerischen Kontext zu integrieren ist Ziel meines Schaffens. In meinen bisherigen Projekten suche ich in Ausstellungssituationen eine Form der Gegenüberstellung, die einen Dialog öffnet und eine Gesamtstimmung erzeugt, in die die Rezipient_innen eintauchen können. Integrierte optische, haptische und akustische Elemente evozieren Bilder, öffnen Assoziationsräume und erfordern eine sinnliche Form der Auseinandersetzung, um Bezüge herzustellen. Die Werke sollen als Stellvertreter für ein kollektives Gedächtnis stehen. Ich wende künstlerische Mittel an, spiele mit Widersprüchen, um unsere Wirklichkeit zu hinterleuchten, meinen Standpunkt und Blick auf das Weltgeschehen zu formulieren, metaphorische Andeutungen zu knüpfen und in Relation mit der Gegenwart zu bringen.
In Silence
Video- Soundinstallation, Stahlplatten, 200 x 200 cm, Stahlkabel, 2 Bass-Lautsprecher, Audiokabel, Surround Receiver
IN SILENCE ist eine skulpturale Video- Soundinstallation aus zwei Stahlblechen von jeweils 1 mal 2 Metern Länge, die an der Decke befestigt sind und den Raum teilen. An diese Bleche sind jeweils zwei Bass Pump III Lautsprecher angeschlossen, welche die Tonaufnahme von Schiffsmotoren über einen Surroundreceiver entsenden. Die anhand des Tones erzeugten Vibrationen werden auf die Platten übertragen, wodurch sie in Schwingung geraten. Dieser sich aufbauende und abbauende Ton verkörpert eine bestimmte Raumatmosphäre, eine subtile Stimmung der Bedrohlichkeit und Spannung.
Die Vibrationen der Schallwellen sind bei näherer Betrachtung sowohl visuell als auch körperlich wahrnehmbar. Eine Video-Nahaufnahme von Meereswellen wird auf beide Metallflächen mit einem Beamer projiziert. Das Repetitive des Bildes wirkt hypnotisierend, verführerisch und zugleich sakral. Die Verbindung zwischen Material, Abbild und Ton wirkt malerisch, haptisch und vielschichtig.
Der Ausgangspunkt dieser Arbeit war der persönliche Bericht einer Person über die Erfahrung eines Fluchtversuchs in einem Schiffscontainer.
Objekt WELCOME
LED- Panel, Verpackung, Türkische Aufkleber, 200 x 30 cm
WELOCME ist eine Skulptur, die aus einem zwei Meter langen LED-Panel besteht, das ich während meines Stipendien-Aufenthaltes in Istanbul 2017 herstellen ließ. Die Ästhetik der Leuchtschrifttafel assoziiert öffentliche Räume, Kontexte von Werbung, Dönerläden und Rotlichtmilieus. Die Farbe und der Rhythmus des Lichts bergen Gefahr und Notstand, Dringlichkeit und Notwendigkeit. In exakt derselben Form, wie es nach Deutschland geschickt wurde – als Paket in
Plastikfolie mit türkischen Aufklebern – soll es ausgestellt werden und auf seinen Kontextwechsel verweisen: Das verpackte Panel deutet auf Transport und Ware hin und kann anhand der geographischen Richtung der Sendung Türkei –> Deutschland symbolisch an die Flüchtlingsroute erinnern.
Der Text „Welocme“ ist eine Anspielung auf die Widersprüchlichkeit der europäischen Willkommenskultur. Ist der Buchstaben- dreher auf den ersten Blick erkennbar? An wen ist das „Welocme“ gerichtet?
SURD
Bei der Zweikanal-Projektion SURD handelt es sich um eine Gegenüberstellung von zwei realen Momentaufnahmen. Sie sind von einem Monolog als Voiceover begleitet. Auf der linken Bildseite sind in einer Detailaufnahme die Füße eines Menschen abgebildet, der in einer Art „Mantra“ von Flucht, Heimat und Verlust erzählt und für weitere Schicksale stehen soll. Als Gegenüber bildet er eine direkte Konfrontation mit den Rezipient_innen.
Auf der rechten Bildseite befindet sich eine Inszenierung der afghanischen Armee als Propaganda-Popsongvideo, das auf einem Smartphone-Bildschirm dargestellt ist. Diese steht als Folgeerscheinung in einer Form der Widersprüchlichkeit und Diskrepanz zu den intimen und persönlichen Worten des Protagonisten des linken Videos, der zu seinem eigenen Schicksal als Geflüchteter Stellung nimmt. Das Smartphone-Video wird sowohl vorwärts als auch rückwärts abgespielt.