Linda Dalitz: "Stern"
acrylic on canvas, 100x80 cm
Linda Dalitz – KOLORIT
Atelier 1 – Klasse Prof. Stella Geppert
Ein Funkeln der Nacht. ein Farbfleck erscheint. Farbe, zusammen
Weiß. Verschwommene Perspektiven und taumelnde Körper
über dem Boden. Ein Klicken, nicht länger als eine Millisekunde,
gefolgt von einem Summen des Aufspulens, gerolltes Zelluloid.
Ein Abbild entsteht in der Situation des Zufalls. Klick – Zurücks-
pulen. Ein Schritt vor, drei zurück, ein Schritt vor, drei zurück...
ich bleibe in Bewegung, gehe einen Umweg, um langsam voran
zu kommen, um mitzunehmen, wahrzunehmen. Die Lichter ver-
dichten sich, kann ich sie doch noch nicht sehen.
Linda Dalitz: "Kiosk" und "Waldemar"
80x45 cm und 200x140 cm
acrylic and oil on canvas
Meine Arbeiten beginnen in meiner unmittelbaren Umgebung. Ich bewege mich und meine Minolta in den Straßen, belichte vielfach Lichtquellen: bei Nacht erleuchtete öffentliche Straßen, Plätze, Fenster und Häuser. Die Bewegung der Kamera, angeführt von meiner Hand, meinem Arm und Körper sowie die sich in den Szenarien bewegenden Objekte führen zum Motiv meiner Fotografie.
Die lichtempfindliche Schicht auf einem Zelluloid wird von dem Einfall des Lichts verdrängt. Die Körnchen eines Silberhalogenids verhärten an den getroffenen Stellen und bleiben auf dem Träger stehen, während alles Schwarz weggespült wird. Diesen technischen Aspekt der Analogfotografie halte ich mir während des gesamten Arbeitsprozesses vor Augen, er hat Einfluss auf jeden meiner Schritte der Transformation und Abstraktion. Während ich beim Prozess des Fotografierens Überlappungen, Hinzufügen, Kreuzen und Schneiden als Werkzeuge anwende, ist der darauffolgende Schritt vom Wegnehmen und Reduzieren dominiert. Nach der Fixierung des Bildes auf dem Trägermaterial entnehme ich den digitalisierten Fotografien alle Schwarzwerte. Die Lichtreflexionen werden fokussiert und ihrer Umgebung, ihrer Oberfläche ‚beraubt‘. So bleiben die eingebrannten Lichtreflexionen auf einem weißen Hintergrund bestehen. Es entsteht der Eindruck einer Art farbigen Negativs.
Der Zweite Schritt der Digitalisierung, des Kontrollierbarens wird in den Übergängen zu den Weißflächen sichtbar – sowohl in der Fotografie, als auch der Malerei. Farbflächen, die sich pixelartig im Weiß auflösen.
Weiß sind alle Farben.
Linda Dalitz: Lichtfotografie
Linda Dalitz: "Eisenbahn"
75x115 cm, oil on canvas
Linda Dalitz: "Brommy"
75x115 cm, oil on canvas
Linda Dalitz: "A9"
100x120 cm, acrylic on canvas
Linda Dalitz: "abc"
120x100 cm, acrylic on canvas
Licht sind elektromagnetische Schwingungen. Es breitet sich wellenförmig aus und hat je nach Wellenlänge eine unterschiedliche Wirkung. Wir nehmen Licht wahr, weil es auf die Netzhaut und die verschiedenen lichtempfindlichen Zapfen in unserem Auge trifft. Dort werden elektrische Impulse an unser Gehirn gesendet und verarbeitet, sodass im Gehirn ein Farbeindruck erzeugt wird. Weiß als Lichtfarbe entsteht, wenn das Licht der drei Spektralfarben Rot, Grün und Blau vermischt werden. Weißes Sonnenlicht ist unsere wichtigste Lichtquelle und enthält alle Farben von Rot bis Violett. Erst wenn dieses Licht in seine Einzelschwingungen gespalten wird, erscheint es farbig. Rot - Orange - Gelb - Grün - Cyan - Blau - Violett. Farbloses Licht.
In meinen Fotografien werden Lichtreflektionen festgehalten, die in der mehrfachen Belichtung so aufeinandertreffen, dass sie neue Farbspektren und -mischungen eröffnen.
Wird einwelliges Licht gemischt, so ergeben diese Mischungen andere Farbspektren, als wenn ich die gleichen Farben mit Pigmenten mische.
Blaues und rotes Licht ergeben Magenta.
Grünes und rotes Licht ergeben Gelb.
Grünes und blaues Licht ergeben Cyan.
Blaues, rotes und grünes Licht ergeben Weiß.
Wenn wir also Licht mischen, werden Farben übereinander gelagert, sie werden addiert. Wenn Pigmente gemischt werden, nehmen wir Farben weg, denn Pigmente absorbieren Licht. Rote Farbe absorbiert alle Farben außer Rot. Grün absorbiert alle Farben außer Grün. Gemischt wird noch mehr Licht absorbiert, es werden weniger Zapfen angeregt, wir nehmen Braun wahr.
Blau und Rot ergibt Lila.
Grün und Rot ergibt Braun.
Blau und Grün ergibt Blaugrün.
Blau, Rot und Grün ergeben Braun oder ein dunkles Grau.
Das Mischen von Licht im Verhältnis zum Mischen von Farben. Der Farbauftrag der Lichtreflexion umgewandelt in meine Malerei ist augenscheinlich, den Techniken der Malerei geschuldet, mit einem Hinzufügen verbunden, ist er doch eigentlich mehr gezeichnet vom Prozess des Wegnehmens, Weglassens und Verdrängens. Durch das genaue Studieren der Farbübergänge in der Fotografie, das „Heranzoomen“, der Verpixelung, der Suche nach Details versuche ich mich in das Phänomen Licht hineinzuversetzen, psychisch wie physisch und es zu übertragen, zu vergrößern, mit neuen Medien umzusetzen, die mir weite Imaginations- und Assoziationsräume eröffnen. Die Form des Details steht für die Rezipient*innen gleichwertig gegenüber dem ursprünglichen Detail, welches im Großen zum Ganzen geworden ist. In dem entstandenen Raum – zwischen dem Detail und dem Ganzen, der Malerei und Fotografie – fordere ich ein genaues Hinsehen ein. Jener Schein von Exaktheit, der in meiner Lichtfotografie wirkt, obwohl weder jene Lichtlinien wirkliche Linien sind, noch ist das Licht, was gegenständlich erscheint, eigentlich da. Es brennt, dringt ein. Das Verfolgen der Linien, um einzudringen, wieder auszutreten.
Linda Dalitz: "ohne Titel"
drawing and erasure on photoprint, 164x60
© Bilder und Texte: Linda Dalitz, 2021/2022