„Totenmasken 1-3“, 2015-2020 | © Laura Stach
Installation, beschnittene Digitalfotografien, Leichtschaumplatte, H35 x B80 cm
Laura Stach – POLARITÄTEN
Laura Stach / Atelier 3 - Ausstellung / Klasse Stella Geppert / September 2020
Die Fotografie ist eine Technik, die immer Gegensätzliches enthält: das fotografische Positiv und sein Negativ, ein dialektisches Element. Formell handelt es sich bei meinen Foto- und Videoarbeiten um eine Verschmelzung von Positiv und Negativ. Dies geschieht durch das Bemalen von Gegenständen in ihren Negativfarben und das anschließende Invertieren der Bilder. Laut dem Philosophen Roland Barthes ist die Fotografie als Inbegriff des Stillstands untrennbar mit dem Tod verbunden (vgl. Barthes 2016, S. 101.). Darüber hinaus liegt den Arbeiten noch ein anderer Gedanke zugrunde: dass Positiv und Negativ als absolute Gegensätze eine Analogie zu Leben und Tod darstellen können. Auch in ihrer Motivik enthalten die fotografischen Hybride Lebendiges und Totes. So entsteht ein Bezug zur heutigen Welt, in der die Vielfalt des Lebens immer weiter abnimmt. Das Artensterben vom Regenwald bis in die Tiefsee oder das Schmelzen der Gletscher durch den Klimawandel sind Zeichen des globalen Verlustes. Damit einhergehend entsteht der Wunsch, etwas wiederherstellen zu können, das verloren zu gehen droht oder bereits verschwunden ist. Die Möglichkeit dazu wird in den Arbeiten vorgetäuscht. Zugleich erlauben sie es dem Betrachter, das Gefühl einer Verbindung zwischen dem Verschwinden der Individuen, Populationen, Arten und der eigenen Endlichkeit zu entwickeln.
Totenmasken, 2015-2020
Installation, 2-tlg., Maße variabel
Die Gesichter meiner Freunde werden durch Schminken, Fotografieren und Invertieren zu Totenmasken. Lebendiges und Totes sind vereint in einem Bild. Auch mein eigenes Portrait wird auf einem analogen Negativ zur Maske. Wie die Fotografie stehen Schminke und Maske aufgrund ihrer Funktion zur Darstellung der Toten im antiken Theater mit dem Tod in Verbindung (vgl. Barthes 2016, S. 40ff.). Die Farbe selbst ist für Roland Barthes zudem eine künstliche Schminke der Fotografie (vgl. Barthes 2016, S. 22f.).
„Totenmaske 4“, 2015-2020 | © Laura Stach
Installation, analoges Negativ, Diaprojektor, Sockel, Stellwand, Maße variabel
Es taut, 2020
Stop-Motion-Video, 1:34 min loop
Mittels einer Eismaschine wurde „Schnee“ hergestellt. Bildfüllend ist dieser als weiße Schneedecke zu sehen. Langsam beginnt sich die Fläche zu verändern. Durch die Schneeschmelze wird, wie in der Vorführung eines Zauberers, der sein Tuch zur Seite zieht und Überraschendes enthüllt, die darunterliegende Landschaft sichtbar. Aber nicht das, was zum Vorschein kommt, ist in diesem Fall verblüffend, sondern wie es beschaffen ist: die Realität als Negativ.
„Es taut“, 2020 | © Laura Stach
Stop-Motion-Video, 1:34 min loop
Raumansicht
„Es taut“, 2020 | © Laura Stach
Stop-Motion-Video, 1:34 min loop
Videostill
„Es taut“, 2020 | © Laura Stach
Stop-Motion-Video, 1:34 min loop
Videostill
Reanimation, 2020
Fotoserie, 7-tlg., H64 x B56 cm und H108 x B72 cm
Die immergrüne Staude Calathea zebrina wird gerne als Blattschmuckgewächs eingesetzt. Ursprünglich im südamerikanischen Regenwald beheimatet, kennen die meisten sie nur als Zimmerpflanze aus dem Baumarkt. Unter den hiesigen Bedingungen ist die empfindliche Art im Wohnzimmer allerdings nur schwer zu kultivieren und so geht sie meist ein. In der Arbeit „Reanimation“ wird ein abgestorbenes Exemplar wieder grün angesprüht. Die ehemals samtige und glatte Oberfläche der Blätter ist mittlerweile gekrümmt und gerippt. Die tote Form der Blätter steht im Kontrast zur lebendigen grünen Farbe der Pflanze. Fotografisch auf Hochglanz gebracht, wird sie als ästhetisch und wertvoll inszeniert. Die Blätter wirken irritierend künstlich und anziehend zugleich.
Der Vorgang vom Kauf der Pflanze über das bewusste Absterben lassen bis hin zur „Wiederbelebung“ konfrontiert uns mit unserem Umgang mit nichtmenschlichen Lebewesen. Er wirkt schonungslos und macht doch einen Prozess sichtbar, welcher sich überall vollzieht. Die Natur wird heutzutage konsumiert, sie existiert in unserer Wahrnehmung für das eigene menschliche Wohlergehen. Der dabei in Kauf genommene Verschleiß zeigt sich an toten Zimmerpflanzen genauso wie an Umweltzerstörung und Artensterben. Trotzdem oder gerade deshalb wächst die Sehnsucht nach intakter und ungezähmter Natur, wie sie beispielsweise früher in den Tropen zu finden war. Die Natur als Idylle wird idealisiert, die Grausamkeit des ihr innewohnenden Prozesses von Leben und Sterben ausgeblendet. Ausdruck findet diese Romantisierung in den Wohnzimmerdschungeln der Stadtbewohner, während vor den Fenstern der menschenbedingte Wandel der Vegetation voranschreitet.
„Reanimation“, 2020 | © Laura Stach
Fotoserie, 7-tlg., H64 x B56 cm und H108 x B72 cm
Raumansicht
„Reanimation 4“, 2020 | © Laura Stach
Digitalfotografie, H64 x B56 cm
„Reanimation 7“, 2020 | © Laura Stach
Digitalfotografie, H108 x B72 cm
Deep Down, 2020
Video, 7:01 min loop
Ein Kaktus wurde in seinen Negativfarben bemalt. Nach zwei Jahren ist er nun gestorben, der Pflanzenkörper ist ausgetrocknet und weist tiefe Rillen auf. Doch die negativen Farben sind geblieben. Freischwebend in der Dunkelheit bewegt er sich langsam drehend leicht hin und her. Im Gegensatz zur Fotografie zeigt der Film Bewegung in der Zeit und enthält so Lebendigkeit (vgl. Barthes 2016, S. 100.). Aufgrund der gesamten Prozedur vom Bemalen über das Absterben bis hin zum Schweben im Raum wird der tote Kaktus wieder zu etwas Lebendem, einem Tiefseetier. Die Illusion der Lebendigkeit, begleitet von dumpfen Tiefseegeräuschen, wirkt durch die zarte Bewegung real. Die Assoziation zum Sci-Fi-artigen außerirdischen Lebewesen im Weltall verleiht der Szene hingegen etwas Irreales.
„Deep Down“, 2020 | © Laura Stach
Video, 7:01 min loop
Videostill
„Deep Down“, 2020 | © Laura Stach
Video, 7:01 min loop
Videostill
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Literatur:
Barthes, R. (2016): Die helle Kammer. Bemerkungen zur Fotografie. 16. Aufl. Frankfurt a. M.: Suhrkamp
Texte und Bilder: © Laura Stach