>Gold, gequetscht<;>Silber, eingelassen<
JAMMED // Abschlussausstellung von Sara Marienfeld
Klasse Stella Geppert / Atelier 3 / Juni 2021 / Am Steintor 20, Halle
Am Anfang des Prozesses steht das Zulassen des Zufalls und ein Spiel des Kombinierens: Welche Objekte passen aufeinander – ineinander – zueinander? Auf das eher zufällige und spielerische Kombinieren sowie die Untersuchung von Spannungsverhältnissen der aufeinandertreffenden Materialien folgen das Bearbeiten und Präzisieren der Verbindung. Dazu schöpfe ich aus den Techniken des Schmuckhandwerks, die mir helfen, Lösungen für die spezifischen Materialien zu finden: Eingeklemmt sein, quetschen, eingelassen werden, biegen, stecken, Druck ausüben, auch Fädeln und Ösen schmieden. Besonders Arten des Fassens und Einlassens spielen eine Rolle. Es entstehen Momente des Eingebettet-Seins, Gehalten-Werdens und Gefasst-Seins:
Eine dünnwandige Porzellantasse steckt passgenau in einem aufrechtstehenden Edelstahlrohr und wird von zwei überkreuz-gespannten Expandern unter Spannung auf dem Rohr „festgekrallt“.
Rubinrotes Plexiglas wird allein durch die Passgenauigkeit in dem gusseisernen Weihnachtsbaumständer gehalten. Dieser balanciert auf langen Stehlen mit Vertiefungen, in denen die Kanten des Weihnachtsbaumständers liegen.
Die violettfarbene Kugel wird von einer Schraubzwinge zusammengepresst und steckt in einer langen grünen Metallstange.
>Gold, gequetscht<
>Rot, gesteckt<
>Glas, verspannt<
>Blau, gekrallt<
>verkettet<;>Transparent, gekeilt<
Archiv
Die laufende Sammlung besteht aus 71 kreisrunden Ohrringen, die ich innerhalb von etwa 3 Jahren an verschiedenen Orten auf der Straße gefunden habe.
Die Kreolen sind meist aus billigem Material, in Massenproduktion hergestellt und besitzen einen schnelllebigen und relativ wertlosen Charakter. Hinzukommt, dass sie wie Abfall auf der Straße liegen. Nicht nur dadurch, dass sie wie Ungewolltes herumliegen erfahren sie eine Entwertung, sondern auch dadurch, dass ihnen ein Gegenstück fehlt.
Im Kontrast zu diesem Wertverlust steht das Aufheben, Sammeln und schließlich das Aufbewahren und Präsentieren der einzelnen Ohrringe. Es verleiht ihnen eine Kostbarkeit unabhängig von ihrem Materialwert. Entgegen ihres schnelllebigen Charakters setzt diese Präsentation auf Bewahrung und Archivierung. Es entsteht Raum für nähere Betrachtung, wodurch die individuellen Unterschiede deutlich werden sowie die Spuren der Stadt, Rost und Bruchstellen erkennbar werden. Durch das nachträgliche Sortieren und Kategorisieren werden außerdem Erkenntnisse über die Häufigkeit von Verschlusstypen, Materialarten, verschiedenen Größen usw. gewonnen.
Die Sammlung fungiert als ein Abbild der Gesellschaft – eine soziologische Studie z.B. in Bezug auf aktuelle Moden, Konsumverhalten und Beziehung zu Material.
>Violett, geklemmt<;>Blau, gekrallt<
Ausstellungsansicht
Ausgehend von dem Gedanken, dass das Gegenstück der gefundenen Ohrringe noch bei dem*der Besitzer*in ist, begann ich eine Korrespondenz mit Verkäufer*innen, die ihre „zurückgebliebenen“ Ohrringe bei eBay anboten. Ich fragte sie z.B. ob sie sich noch daran erinnern könnten, in welcher Situation sie den zweiten Ohrring verloren haben. Die Antworten und Geschichten gaben mir interessante Einblicke, wie Menschen über Ohrringe und v.a. das Ohrring-Paar denken. Dazu ist eine Arbeit in Buchform entstanden.
Ausstellungsansicht
Objekte, variierende Größen, 2021
Foto: Karla Zipfel
© Sara Marienfeld 2021
VIDEO zur Ausstellung
vimeo.com/563729799 (PW: Sara2021)
VIDEO zur Ausstellung
vimeo.com/563729799 (PW: Sara2021)