Foto: Paula Steiner
"Textildesign im Alltag"
Das Programm war straff und führte uns in drei Tagen an Orte, die man bisher wohl nur von der Landkarte kannte: Wirsberg – Hof – Rodewisch – Frankenberg – Niederwiesa lautete die Route, genächtigt wurde in Plauen und Chemnitz.
Text: Paula Steiner
„Wie sehen eigentlich Ihre Autositze aus?"
Der Vertriebsleiter der „Wilhelm Kneitz AG“, ein Zulieferer von Textilien für den Automobilsektor, sorgte für Stirnrunzeln. Auf „dunkel“ konnte man sich einigen, doch die Frage nach Material und Technik verlangte einen gezielten Blick auf die Sitzpolster, wenngleich man auf ihnen die letzten Stunden von Halle bis ins bayrische Wirsberg verbracht hatte. Beim Rundgang durch die Produktionshallen in denen computergesteuerte Jacquardmaschinen in atemberaubender Geschwindigkeit lautstark im Drei-Schicht-System weben, kamen wir der Antwort schon näher. Textilien haben es schwer auf dem Weg ins Auto: Erst nach erfolgreichem Bestehen von Scheuer-, Feuer-, Reiß- und Lichttests ist ein Design für den Markt zugelassen und das bei einem Preisdruck von maximal fünf Euro pro Meter. Unschlagbare Testsiegerin ist die Polyesterfaser, zuweilen mit Wolle gemischt, beherrscht sie den Automobilsektor seit Jahrzehnten. Ein Kontrastprogramm zum industriellen Auftakt unserer Exkursion bot die Firma „Eagle Products“ im kleinstädtischen Hof. In vergleichsweise heimeliger Atmosphäre werden hier Plaids und Schals aus feinster Wolle gewebt, gestrickt und gewirkt. Das Unternehmen versteht sich als Manufaktur, die ihren Maschinen samt Produktlinie seit der Gründung 1893 weitgehend treu geblieben ist. Ein Konzept, das funktioniert: Beim Lagerverkauf ließ sich die Mehrheit vom flauschigen Haar der Kaschmirziege zum Kauf verleiten. Vereinzelt wurde das neue Schmuckstück noch am selben Abend zum Italiener in Plauen ausgeführt.
Weniger kuschelig, dafür höchst informativ starte der zweite Exkursionstag: Rund um die Uhr laufen die Maschinen der Lohnweberei „ERTEX“ deren größte Abnehmer überraschenderweise im westafrikanischen Raum sitzen. Hinter der Bezeichnung „Afrika-Damast“ verbirgt sich ein Jacquardgewebe aus Baumwolle, das anschließend an die Schwesterfirma „Color Textil“ verschickt wird. Siebdruck, wie wir ihn aus der Burg-Werkstatt kennen, beginnt hier ab einer Mindestmenge von 800 Meter im Rollenverfahren. Auch der Afrika-Damast wird auf diese Art bedruckt und erfährt anschließend eine Spezialbehandlung, die der weichen Baumwolle höchstmöglichen Glanz und Standfestigkeit verleihen soll. Beim sogenannten Kalandern läuft das Textil durch erhitzte Druckwalzen, die im Falle des Afrika-Damast zusätzlich mit einer Rosenduftdusche verbunden sind - laut Hersteller ein unverzichtbares Kaufargument auf dem westafrikanischen Markt. Den „Rosenduft“ in der Nase ging es abschließend ins malerisch-sattgrüne Niederwiesa. In der ehemaligen Weberei Tannenhauer wurden von 1910 – 1990 Möbel-, Dekorations- und Wagenstoffe produziert. Überlebt hat der Betrieb als Industriedenkmal, das jetzt umfunktioniert in eine Schauweberei an den erhaltenen Maschinen den Prozess und die Geschichte des Webens vermittelt. Ein Teil der Maschinen läuft bis heute. 2014 übernahm die Familie Wunderlich-Bäz die interne Gobelin-Weberei CAMMAN und fertigt, inspiriert von den rund zweihundert gut erhaltenen Musterbüchern, individuelle Kundenaufträge im Möbel- und Bekleidungsbereich.
Hier endet unsere Tour durch 120 Jahre Textilproduktion: Vom Plüschwebstühl, bis zu digital gesteuerten Jacquardwebmaschinen war es erstaunlich zu sehen, dass nicht nur Textildesign, sondern auch Produktion in einem Umkreis von 200 km zu finden ist. Es war erfreulich zu erfahren, dass die Betriebe uns willkommen hießen und mögliche Perspektiven nach dem Studium eröffneten. Wünschenswert wäre, dass gestalterische Freiheit und kritisches Bewusstsein über Produktionsbedingungen im Berufsalltag nicht ganz verloren gehen.
Foto: Paula Steiner
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